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Baugrenzen dienen nicht dem Nachbarschutz!

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Setzt ein Bebauungsplan überbaubare Grundstücksflächen fest, kann sich ein Nachbar hierauf grundsätzlich nicht gegenüber einem anderen Bauvorhaben berufen. Das gilt auch dann, wenn eine festgesetzte Baugrenze von Vorteil für die Nutzung seines eigenen Grundstück ist. Das hat der VGH Bayern mit Beschluss vom 05.08.2019 (9 ZB 16.1276) bekräftigt.

 

In dem entschiedenen Fall gehörte dem Kläger ein Wohngrundstück, das im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes lag. Dieser setzte durch Baulinien und Baugrenzen auf allen Grundstücken überbaubare Flächen, sogenannte „Baufenster“, fest. Diese Baufenster lagen durchweg in dem vorderen, an der Straße gelegenen Teil der Grundstücke. An die Liegenschaft des Klägers grenzte ein Grundstück an, das ebenfalls mit einem Wohnhaus bebaut werden sollte. Hierfür erteilte die Baubehörde eine Baugenehmigung unter Befreiung von der hinteren Baugrenze. Das hatte zur Folge, dass sich der Neubau über das festgesetzte Baufenster hinaus in den rückwärtigen Bereich erstrecken durfte. Hiergegen wendete sich der Kläger. Nach seiner Ansicht hatte die Baugrenze den Zweck, eine rückwärtige Ruhezone von Bebauung frei zu halten. Das werde durch das Vorhaben vereitelt.

 

Die Klage hatte keinen Erfolg. Weder das erstinstanzliche Verwaltungsgericht, noch der vom Kläger angerufene VGH konnten eine Verletzung des Klägers in eigenen Rechten feststellen. Den Baugrenzen auf dem Grundstück des Bauvorhabens komme, so der VGH, keine nachbarschützende Funktion zu. Das sei bei Festsetzungen über die überbaubare Grundstücksfläche grundsätzlich nicht der Fall. Etwas anderes gelte nur dann, wenn die Festsetzung nach dem Willen des Planungsträgers zumindest auch einem nachbarlichen Interessenausgleich dienen solle. Hierfür bestünden im vorliegenden Fall aber keine Anhaltspunkte. Günstige Auswirkungen einer Festsetzung auf die Nachbargrundstücke reichten nicht zur Annahme eines Nachbarschutzes aus. Dem Bebauungsplan und seiner Begründung seien keine Hinweise zu entnehmen, dass die Gemeinde mit den Baufenstern eine nachbarschützende Ruhezone schaffen wollte. Das gelte auch dann, wenn der Plangeber im Jahr 1968 noch nicht an nachbarlichen Drittschutz gedacht haben sollte.

 

Die Entscheidung liegt auf der Linie der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung. Danach können Befreiungen von Festsetzungen über die überbaubare Grundstücksfläche (Baulinien, Baugrenzen, Baufenster) in aller Regel nicht von Nachbarn angefochten werden. Denn nur selten lässt sich der Nachweis führen, dass diese Festsetzungen den individuellen Interessen der Nachbarn dienen sollen. Ist das nicht der Fall, kann ein Nachbar die Befreiung nur dann vor Gericht zu Fall bringen, wenn sie ihm gegenüber rücksichtslos ist. Auch das lässt sich aber nur in seltenen Ausnahmefällen belegen.



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