Bieter darf sich nicht dumm stellen!

Ist das Leistungsverzeichnis lückenhaft und kann der Bieter dies bei der Angebotskalkulation klar erkennen, darf er nicht „ins Blaue hinein“ kalkulieren. Vielmehr hat er Zweifelsfragen aufzuklären, bevor er sein Angebot abgibt. Das hat das OLG Naumburg am 27.06.2019 (2 U 11/18) entschieden.

In dem entschiedenen Fall hatte sich ein Unternehmer auf eine Ausschreibung für den Ausbau bzw. die Erneuerung einer Bundesstraße beworben. Aus dem Leistungsverzeichnis ergab sich, dass das entstehende Aufbruchmaterial (eine Betonschicht und eine hydraulisch gebundene Tragschicht) verwertet werden sollte. In der entsprechenden Leistungsposition war für das Aufbruchmaterial allerdings keine konkrete Zuordnungsklasse nach TR LAGA angegeben. Der Unternehmer ging nach eigener Angabe davon aus, dass das Material keine chemischen Belastungen aufwies. Deswegen stufte er es in die Zuordnungsklasse Z 0 ein und bot einen entsprechend niedrigen Einheitspreis an.

Bei Ausführung des Auftrags stellte sich eine erhebliche Belastung mit Chloriden heraus. Hierdurch unterfiel das Aufbruchmaterial der Zuordnungsklasse Z 1.2. Der Unternehmer meldete deshalb Mehrkosten für Lagerung und Entsorgung an. Als der Auftraggeber nicht zahlte, erhob der Unternehmer Klage. Das OLG verneinte einen Anspruch auf zusätzliche Vergütung. Das Gericht begründet das so:  Für ein fachkundiges und mit derartigen Aufträgen vertrautes Tiefbauunternehmen sei offensichtlich gewesen, dass die Straße jahrzehntelang genutzt und erheblich belastet gewesen sei. Deshalb sei eine Schadstoffbelastung mit Sicherheit zu erwarten gewesen, auch wenn dies im Leistungsverzeichnis nicht ausdrücklich erwähnt gewesen sei. Ein sorgfältig kalkulierender Bieter habe daher keinesfalls davon ausgehen dürfen, dass das Material für den uneingeschränkten Einbau mit dem Zuordnungswert Z 0 verwertet werden könne.

Aus der Entscheidung ergibt sich: Bei der Angebotskalkulation kommt es auf die Sicht eines verständigen und erfahrenen Unternehmens an, welches über das notwendige Fachwissen verfügt. Unternehmen sollten sich daher intern so organisieren, dass nicht lediglich ein „einfacher Kalkulator“ das Angebot erstellt. Vielmehr muss diese Aufgabe ein Mitarbeiter mit der entsprechenden Fachkunde übernehmen.

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