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Erschließungsbeiträge: Und sie verjähren doch!

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Es ist verfassungswidrig, Erschließungsbeiträge ohne zeitliche Begrenzung zu erheben. Zudem muss der Beitragspflichtige erkennen können, ab wann er nicht mehr mit einer Veranlagung zu rechnen hat. Dies hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 03.11.2021 (1 BvL 1/19) entschieden.

In dem zugrunde liegenden Fall hatte eine Gemeinde im Jahre 1986 das Teilstück einer vierspurigen Straße gebaut, durch welche ein Grundstück erschlossen wurde. 1999 beschloss die Gemeinde, die Straße nicht vierspurig weiterzuführen. In den Jahren 2003/2004 wurde die Straße zweispurig weitergebaut und fertiggestellt. Im Juli 2007 erfolgte die Widmung als Gemeindestraße.

Im September 2007 setzte die Stadt für das Grundstück Erschließungsbeiträge fest. Hiergegen wendete deren Eigentümer Verjährung ein. Dem trat die Gemeinde entgegen. Nach dem einschlägigen rheinland-pfälzischen Kommunalabgabengesetz und der Abgabenordnung (§ 170) sei die Festsetzungsfrist erst am Ende des vierten Jahres nach Widmung der Straße, also am 31.12.2011, abgelaufen.

Dem wollte das Bundesverwaltungsgericht nicht folgen; es legte den Fall dem Bundesverfassungsgericht vor. Das hat festgestellt, dass die vorstehenden erschließungsbeitragsrechtlichen Regelungen verfassungswidrig sind. Zur Begründung führte es aus:

Bei der Erhebung von Beiträgen, die einen Ausgleich für den Anschluss an eine Straße schaffen sollen, müsse sichergestellt sein, dass die Beiträge nicht unbegrenzt nach Erlangung dieses Anschlusses festgesetzt werden können. Denn die Legitimation von Beiträgen liege in der Abgeltung eines Vorteils, der den Betreffenden zu einem bestimmten Zeitpunkt zugekommen sei. Je weiter dieser Zeitpunkt bei der Beitragserhebung zurückliege, desto mehr verflüchtige sich diese Legitimation. Beitragspflichtige würden hinsichtlich eines immer weiter in die Vergangenheit rückenden Vorgangs im Unklaren gelassen, ob sie noch mit Belastungen rechnen müssen. Dies sei ihnen im Lauf der Zeit immer weniger zumutbar. Der Grundsatz der Rechtssicherheit gebiete vielmehr, dass Vorteilsempfänger in zumutbarer Zeit Klarheit darüber gewinnen könnten, ob und in welchem Umfang sie die erlangten Vorteile durch Beiträge ausgleichen müssen.

In einzelnen Bundesländern bestanden bereits vor dieser Entscheidung entsprechende Verjährungsregeln. Danach müssen Beiträge z. B. spätestens innerhalb von fünf oder zehn Jahren erhoben werden, nachdem eine Erschließungsstraße bautechnisch fertiggestellt ist. Nicht mehr zulässig ist es, für den Beginn der Verjährung auf eine Widmung oder ähnliche Rechtsakte abzustellen, die für den Bürger unklar sind und es der Gemeinde erlauben, die Beitragserhebung unbegrenzt hinauszögern. Denn das ist in einem Rechtsstaat nicht hinnehmbar.



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