HOAI-Mindestsätze doch weiter anwendbar?

Die Mindestsätze der HOAI sind weiter anzuwenden, auch wenn der Europäische Gerichtshof (EuGH) sie am 04.07.2019 für europarechtswidrig befunden hat (Rs. C-377/17). Dies gilt jedenfalls für das Vertragsverhältnis zwischen einem privaten Architekten oder Ingenieur und einem privaten Auftraggeber. Das hat das Kammergericht am 12.05.2020 (21 U 125/19) entschieden.

Das Berliner Instanzgericht bekräftigt damit seine tendenziell auftragnehmerfreundliche Rechtsauffassung. Zur Begründung bemerkt das Gericht, dass die Dienstleistungsrichtlinie innerhalb eines privaten Rechtsverhältnisses nicht unmittelbar „horizontal“ zu Lasten des Architekten oder Ingenieurs angewendet werden könne. Die Dienstleistungsrichtlinie habe daher nicht zwingend zur Folge, dass ein deutsches Gericht das Mindestpreisgebot der HOAI in einem Rechtsstreit zwischen Privaten außer Anwendung lassen müsse.

Außerdem gelte die europäische Dienstleistungsfreiheit nur für grenzüberschreitende Fälle. Eine unmittelbare Anwendung der Dienstleistungsrichtlinie in einem Rechtsstreit zwischen den Parteien eines Architekten- oder Ingenieurvertrags, die beide seit geraumer Zeit in Deutschland ansässig sind, scheide auch deshalb aus. Denn hierbei handele es sich um einen rein innerstaatlichen Sachverhalt.

Das Kammergericht steht mit seiner Auffassung nicht allein. Auch das OLG Hamm (Urteil vom 23.07.2019 – 21 U 24/18) ist der Meinung, dass die HOAI-Mindestsätze trotz der EuGH-Rechtsprechung Anwendung behalten. Eine gegenteilige Auffassung vertreten etwa das OLG Celle (Urteil vom 14.08.2019 – 14 U 198/18 – recht planbar informierte am 29.07.2019), das Schleswig-Holsteinische OLG (Urteil vom 25.10.2019 – 1 U 74/18) und das OLG Düsseldorf (Urteil vom 28.01.2020 – 21 U 21/19).

Rückenwind gewinnt das Kammergericht nun durch den Beschluss des BGH vom 14.05.2020 (VII ZR 174/19). Dieser hat zwar die Entscheidung über die Folgen des EuGH-Urteils nur vertagt und dem EuGH wiederum diverse Fragen zur Klärung vorgelegt. Dennoch lässt sich den Ausführungen des BGH in seiner Pressemitteilung zum Vorabentscheidungsersuchen die Tendenz entnehmen, dass er die HOAI-Mindestsätze jedenfalls zwischen Privaten nach wie vor für anwendbar hält. Auch der BGH begründet seine vorläufige Rechtsauffassung damit, dass er keine unmittelbare Wirkung der Dienstleistungsrichtlinie für private Rechtsverhältnisse annimmt.

Klarheit und Rechtssicherheit wird erst die Entscheidung des EuGH bringen.

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