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Leistungsverzeichnis: Wer nicht fragt, verliert!

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Ein kalkulatorisch unklares Leistungsverzeichnis hat der Bieter und spätere Auftragnehmer in der Angebotsbearbeitungsphase durch Rückfrage beim Auftraggeber aufzuklären. Tut der Auftragnehmer das nicht, trägt er das Risiko, über die von ihm kalkulierte Ausführung hinaus Mehrleistungen erbringen zu müssen, ohne hierfür eine zusätzliche Vergütung verlangen zu können. Das hat das OLG Karlsruhe mit Urteil vom 20.04.2021 (19 U 28/19) entschieden.

In dem zugrundeliegenden Fall hatte der Auftragnehmer Rohbauarbeiten für die Errichtung einer Sporthalle erbracht. Dazu hatte er einen Bauzaun zu errichten. Der Zaun sollte auf Wunsch des Auftraggebers auch nach Abschluss seiner Arbeiten für die weitere Bauausführung vorgehalten werden. In dem Leistungsverzeichnis des Auftraggebers war zu dem Bauzaun das Folgende ausgeführt:

„“01.01.0060: Bauzaun aufstellen, vorhalten und räumen

[…]

285,000 m ___________ ___________

01.01.0070: Bauzaun umsetzen

[…]150,000 m ___________ ___________

01.01.0080: Bauzaun vorhalten, über Vertragslaufzeit hinaus

Bauzaun (einschl. Tor) vorhalten und instand halten nach der vertraglichen Ausführungszeit des AN. Abrechnung nach Zaunlänge einschl. Türen und Tore in Metern x Vorhaltedauer in Wochen.

50,000 mWo __________ __________“

Darauf hatte der Auftragnehmer angeboten:

„50,00 mWo                14,46              723,00

Bauzaun vorhalten, über Vertragslaufzeit hinaus“

Nachdem der Bau insgesamt abgeschlossen und der Bauzaun abgebaut war, rechnete der Auftragnehmer die Vorhaltekosten ab. Dabei berechnete er die Kosten, indem er die Zaunlänge mit der Vorhaltezeit und das Ergebnis wiederum mit dem Preis von 14,46 EUR multiplizierte. Der Auftraggeber war damit nicht einverstanden. Er vertrat die Auffassung, es sei ein Preis von 14,46 pro Woche der Vorhaltezeit vereinbart worden.

Das OLG gab dem Auftraggeber Recht. Die Angabe „50,000 mWo“ sei aus Sicht des Auftragnehmers so zu verstehen gewesen, dass sich der Faktor 50 auf die Zahl der Wochen und nicht auf die Länge des Zauns bezog. Es hätten keine Anhaltspunkte dafür bestanden, dass sich die Länge des Bauzauns im Laufe des Vorhabens von 285 m auf 50 m verkürzen würde. Da der Vordersatz keine Angaben zu der Maßeinheit Meter enthalten habe, sei das Leistungsverzeichnis insofern auslegungsbedürftig gewesen. Aus dem Gesamtzusammenhang und dem Vergleich mit den weiteren Positionen sei die Angabe jedoch objektiv so zu verstehen, dass der Einheitspreis nicht auf der Grundlage „1 Meter für 50 Wochen“, sondern „285 Meter für 50 Wochen“ zu ermitteln war. Schließlich sei aus der Position 01.01.0060 des Leistungsverzeichnisses die zu erwartende Gesamtlänge des Zauns bekannt gewesen. Wenn der Auftragnehmer das Leistungsverzeichnis als kalkulatorisch unklar empfunden habe, hätte er die Unklarheit durch Nachfragen beseitigen müssen. Ansonsten trage er das entsprechende Risiko.



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