Mängelbeseitigung verweigert: Auftraggeber darf nicht fristlos kündigen!

Vor der Abnahme darf der Auftraggeber den Bauvertrag nicht deshalb fristlos kündigen, weil der Auftragnehmer einer Aufforderung zur Beseitigung von Mängeln nicht fristgerecht nachgekommen ist. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die VOB/B nicht als Ganzes vereinbart worden ist. Denn die Kündigungsklauseln des § 4 Abs. 7 Satz 3 i.V.m. § 8 Abs. 3 VOB/B sind als Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) des Verwenders unwirksam, da sie den Auftragnehmer unangemessen benachteiligen. Das hat der BGH mit Urteil vom 19.01.2023 (VII ZR 34/20) entschieden.

In dem Fall, der dieser Entscheidung zugrunde lag, war der Auftraggeber mit der Qualität des verbauten Betons nicht einverstanden. Deshalb forderte er den Auftragnehmer unter Fristsetzung zur Mangelbeseitigung auf und drohte gleichzeitig für den Fall des fruchtlosen Fristablaufs die außerordentliche Kündigung an. Da der Auftragnehmer dieser Aufforderung nicht nachkam, kündigte der Auftraggeber den Bauvertrag. Zur Begründung seiner Kündigung berief er sich auf § 4 Abs. 7 Satz 3 i.V.m. § 8 Abs. 3 VOB/B.

Der BGH hatte nun über die Wirksamkeit dieser Kündigung zu entscheiden. Da hier der Auftraggeber die VOB/B gestellt hatte, mithin Verwender von AGB war, kam es für diese Frage entscheidend darauf an, ob die Parteien die VOB/B als Ganzes vereinbart hatten. Nur dann nämlich wären die Regelungen der VOB/B ohne weitere Überprüfung auf Übereinstimmung mit wesentlichen Rechtsgrundsätzen anzuwenden. Der Bauvertrag enthielt jedoch einige Regelungen, die von denen der VOB/B abwichen. Daher war vorliegend die AGB-rechtliche Inhaltskontrolle (§ 307 BGB) eröffnet.

Der BGH kam zu dem Ergebnis, dass die fraglichen Regelungen dieser Inhaltskontrolle nicht standhielten. Dies begründete der BGH damit, dass bei kundenfeindlichster Auslegung für § 4 Abs. 7 Satz 3 i.V.m. § 8 Abs. 3 VOB/B von einem Klauselverständnis auszugehen sei, wonach auch bei ganz geringfügigen und unbedeutenden Vertragswidrigkeiten oder Mängeln die Kündigung aus wichtigem Grund eröffnet wäre. Diese Möglichkeit bestehe losgelöst davon, welches Gewicht der Vertragswidrigkeit oder dem Mangel im Hinblick auf die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses zukomme. Deshalb seien die Klauseln nicht mit den wesentlichen Grundsätzen zu vereinbaren, die nach dem Gesetz für eine Kündigung aus wichtigem Grund gelten würden. Vielmehr benachteiligten die Klauseln den Auftragnehmer unangemessen und seien deshalb gemäß § 307 BGB unwirksam.

Über den Vergütungsanspruch des Auftragnehmers ist damit noch nicht abschließend entschieden. Dieser hatte Restwerklohn i.H.v. rund 2,5 Mio. € für solche Leistungen begehrt, die er infolge der Kündigung nicht mehr erbrachte hatte. Insofern hat der BGH die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Dieses muss nun prüfen, ob der Auftraggeber den Vertrag aus einem anderen wichtigen Grund kündigen konnte. Das beurteilt sich nach den richterrechtlich entwickelten Grundsätzen zur außerordentlichen Kündigung. Voraussetzung einer Kündigung aus wichtigem Grund ist danach, dass der Auftragnehmer durch ein den Vertragszweck gefährdendes Verhalten die vertragliche Vertrauensgrundlage zum Auftraggeber derart erschüttert hat, dass diesem unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Die Messlatte liegt also – anders als bei den beanstandeten VOB/B-Klauseln – hoch.

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