Will ein Bebauungsplan durch seine Festsetzungen „möglichst viele“ Sichtbezüge zu einem See gewährleisten, kommt dem keine nachbarschützende Wirkung zu. Dies hat das OVG Nordrhein-Westfalen mit Beschluss vom 06.11.2024 (7 A 75/23) entschieden.
Der Rechtsstreit betraf ein Bauvorhaben auf einem Seegrundstück. Der Bauherr wollte die Breite seines Wohnhauses durch einen Anbau auf 11,51 m erweitern. Der Bebauungsplan erlaubte nur eine maximale Gebäudebreite von 10,00 m. Diese Festsetzung war damit begründet worden, dass ein „zusammenhängendes geleitetes Erscheinungsbild“ entstehen und „möglichst viele Sichtbezüge“ zu dem See gewährleistet werden sollten. Die Baubehörde erteilte dem Bauherrn eine Befreiung von der Festsetzung zur Gebäudebreite, so dass er sein Vorhaben ausführen konnte. Hiergegen wendete sich ein Nachbar. Er stützte seine Klage darauf, dass seine Sicht auf den See eingeschränkt werde.
Das erstinstanzliche Verwaltungsgericht (VG) hatte dem Nachbarn Recht gegeben. Es handele sich bei der Festsetzung über die Gebäudebreite um eine Gestaltungsvorschrift, welche ausnahmsweise nachbarschützenden Inhalt habe. Aus der Planbegründung ergebe sich, dass das Bebauungskonzept von möglichst vielen Grundstücken und Gebäuden aus einen Seeblick ermöglichen wolle. Durch die „Überbreite“ des Bauvorhabens werde dem Nachbarn ein Teil seiner Sichtmöglichkeiten genommen. Es seien keine Interessen des Bauherrn ersichtlich, welche diesen Eingriff in die Rechte des Nachbarn rechtfertigen könnten.
Gegen die Entscheidung rief der Bauherr das Oberverwaltungsgericht (OVG) an. Mit Erfolg: Vorschriften über das Maß der baulichen Nutzung oder die Baugestaltung hätten, so das OVG, nur ausnahmsweise nachbarschützende Wirkung. Hier gebe es keine Anhaltspunkte, dass die Festsetzungen zur Gebäudebreite eine derartige Ausnahme darstellten. Selbst wenn laut Planbegründung auch die Eigentümer bzw. Nutzer der nicht unmittelbar an den See grenzenden Baugrundstücke durch die Sichtbeziehungen von der Seelage profitieren sollten, begründe das keine einklagbaren subjektiven Rechte. Denn es handele es sich nach Überzeugung des Senats um eine „rein städtebauliche, der Allgemeinheit dienende Zielsetzung“.
Die Entscheidung betrifft einen Grenzfall. Dies wird schon daran deutlich, dass das VG und das OVG zu völlig gegensätzlichen Antworten auf die Frage gekommen sind, ob die Festsetzung Nachbarrechte begründen sollte oder nicht. Aus Sicht des OVG wäre das offenbar nur dann zu bejahen gewesen, wenn der Bebauungsplan die Blickbeziehungen von ganz bestimmten Grundstücken und nicht nur von „möglichst vielen“ aus hätte schützen wollen. Denn so war die Zielsetzung der Festsetzung zu allgemein gefasst, um einen individuell geschützten Personenkreis feststellen zu können.