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Aktuelles
Mit dem Beginn des Jahres 2025 ist das vierte Bürokratieentlastungsgesetz in Kraft getreten. Das Gesetz zielt darauf ab, den bürokratischen Aufwand von Unternehmen zu verringern. Dazu wurde unter anderem die bislang vorgeschriebene Schriftform für Mietverträge mit fester Laufzeit von mehr als einem Jahr durch die nun vorgeschriebene Textform ersetzt. Wird gegen die Textform verstoßen, hat dies die gleichen Folgen, wie bislang der Verstoß gegen die Schriftform. Der Vertrag gilt dann als „auf unbestimmte Zeit“ abgeschlossen und kann – ungeachtet der vereinbarten Laufzeit – mit gesetzlicher Frist gekündigt werden. Bei Verträgen über Geschäftsräume gilt dazu in der Regel eine Frist von sechs Monaten zum Quartalsende.
Was bedeutet die Änderung für die Praxis? Im Gegensatz zur bislang geltenden Schriftform verlangt die nun erforderliche Textform keine eigenhändig unterzeichnete Vertragsurkunde mehr, in der alle wesentlichen Regelungen des Vertrages enthalten sind. Stattdessen genügen nun lesbare Erklärungen auf einem dauerhaften Datenträger, welche die Verfasser und die wesentlichen Vertragsinhalte enthalten, etwa eine E-Mail-Konversation der Vertragsparteien oder eine zwischen Ihnen per E-Mail ausgetauschte PDF-Datei des Mietvertrages. Möglich wird so auch der Abschluss langfristiger Mietverträge durch einfache elektronische Unterzeichnung. Bislang war eine qualifizierte elektronische Unterzeichnung erforderlich, also eine Signatur, die durch eine staatlich dazu bestimmte Stelle verifiziert wird.
Es liegt auf der Hand, dass der Wegfall der Papierurkunden zu einer erheblichen Erleichterung und Beschleunigung beim Vertragsabschluss und bei der Vertragsänderung führt. Allerdings empfiehlt es sich auch weiterhin, an der Einheitlichkeit einer Mietvertragsurkunde festzuhalten. Auch weiterhin sollten also alle wesentlichen Vertragsinhalte in einem Dokument geregelt sein und in Vertragsanlagen und Nachträgen sollte Bezug auf einander genommen werden. Dies dient neben der sicheren Einhaltung der Textform dem Vertragsmanagement. Einheitliche Vertragsdokumente lassen sich im Alltag besser handhaben als eine Vielzahl von Erklärungen, Plänen und sonstigen Dokumenten. Nicht zuletzt sollte es auch der leichteren Verkäuflichkeit einer Immobilie dienen, wenn gut strukturierte und übersichtliche Mietvertragsdokumente vorgelegt werden können.
Will ein Bebauungsplan durch seine Festsetzungen „möglichst viele“ Sichtbezüge zu einem See gewährleisten, kommt dem keine nachbarschützende Wirkung zu. Dies hat das OVG Nordrhein-Westfalen mit Beschluss vom 06.11.2024 (7 A 75/23) entschieden.
Der Rechtsstreit betraf ein Bauvorhaben auf einem Seegrundstück. Der Bauherr wollte die Breite seines Wohnhauses durch einen Anbau auf 11,51 m erweitern. Der Bebauungsplan erlaubte nur eine maximale Gebäudebreite von 10,00 m. Diese Festsetzung war damit begründet worden, dass ein „zusammenhängendes geleitetes Erscheinungsbild“ entstehen und „möglichst viele Sichtbezüge“ zu dem See gewährleistet werden sollten. Die Baubehörde erteilte dem Bauherrn eine Befreiung von der Festsetzung zur Gebäudebreite, so dass er sein Vorhaben ausführen konnte. Hiergegen wendete sich ein Nachbar. Er stützte seine Klage darauf, dass seine Sicht auf den See eingeschränkt werde.
Das erstinstanzliche Verwaltungsgericht (VG) hatte dem Nachbarn Recht gegeben. Es handele sich bei der Festsetzung über die Gebäudebreite um eine Gestaltungsvorschrift, welche ausnahmsweise nachbarschützenden Inhalt habe. Aus der Planbegründung ergebe sich, dass das Bebauungskonzept von möglichst vielen Grundstücken und Gebäuden aus einen Seeblick ermöglichen wolle. Durch die „Überbreite“ des Bauvorhabens werde dem Nachbarn ein Teil seiner Sichtmöglichkeiten genommen. Es seien keine Interessen des Bauherrn ersichtlich, welche diesen Eingriff in die Rechte des Nachbarn rechtfertigen könnten.
Gegen die Entscheidung rief der Bauherr das Oberverwaltungsgericht (OVG) an. Mit Erfolg: Vorschriften über das Maß der baulichen Nutzung oder die Baugestaltung hätten, so das OVG, nur ausnahmsweise nachbarschützende Wirkung. Hier gebe es keine Anhaltspunkte, dass die Festsetzungen zur Gebäudebreite eine derartige Ausnahme darstellten. Selbst wenn laut Planbegründung auch die Eigentümer bzw. Nutzer der nicht unmittelbar an den See grenzenden Baugrundstücke durch die Sichtbeziehungen von der Seelage profitieren sollten, begründe das keine einklagbaren subjektiven Rechte. Denn es handele es sich nach Überzeugung des Senats um eine „rein städtebauliche, der Allgemeinheit dienende Zielsetzung“.
Die Entscheidung betrifft einen Grenzfall. Dies wird schon daran deutlich, dass das VG und das OVG zu völlig gegensätzlichen Antworten auf die Frage gekommen sind, ob die Festsetzung Nachbarrechte begründen sollte oder nicht. Aus Sicht des OVG wäre das offenbar nur dann zu bejahen gewesen, wenn der Bebauungsplan die Blickbeziehungen von ganz bestimmten Grundstücken und nicht nur von „möglichst vielen“ aus hätte schützen wollen. Denn so war die Zielsetzung der Festsetzung zu allgemein gefasst, um einen individuell geschützten Personenkreis feststellen zu können.
Wer ein Telefonat heimlich mitgehört hat, kann später vor Gericht nicht als Zeuge zu dessen Inhalt aussagen. Das hat das LG Konstanz mit Urteil vom 11.12.2023 (A 61 S 10/23) entschieden.
In dem Fall, einem Streit um Mietzahlungen für eine Wohnung, wollte der Kläger ein Telefonat und dessen Inhalt beweisen. In einem Telefonat sollten die Beklagten nach Darstellung des Klägers die Übernahme der Mietwohnung grundlos verweigert haben. Daher, so der Kläger, schuldeten die Beklagten auch ohne Einzug in die Wohnung Miete. Als Beweismittel führte der Kläger eine Zeugin an, die das heimlich laut gestellte Telefonat mitgehört habe.
Das Gericht lehnte die Vernehmung der Zeugin zu dem Telefonat ab. Etwaige Aussagen der Zeugin zum Telefonat und dessen Inhalt dürften im Gerichtsverfahren nicht verwertet werden. Eine solche Verwertung sei mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der „belauschten“ Personen nicht zu vereinbaren. Dabei komme es auch nicht darauf an, ob es sich bei den „erlauschten“ Informationen selbst um personale oder gar persönlichkeitssensible Daten handele.
Auch im geschäftlichen Umfeld wird gelegentlich erwogen, Telefonate heimlich aufzuzeichnen oder durch Zeugen mithören zu lassen. Aus den hier vom Gericht angeführten Gründen ist das regelmäßig sinnlos, da entsprechende Aufnahmen oder Zeugenaussagen gerichtlich nicht verwertet werden dürfen. Das Persönlichkeitsrecht umfasst auch das Recht am gesprochenen Wort und insbesondere auch das Recht, darüber zu bestimmen, wem die verbal geäußerten Inhalte zugänglich sein sollen.
Nur in besonderen Ausnahmefällen kann etwas anderes gelten. Dann müssen erhebliche Interessen dem Schutz des gesprochenen Wortes vorgehen. Dass ist beispielsweise der Fall, wenn es um den Beweis erpresserischer Drohungen geht. Wird mit dem gesprochenen Wort zugleich eine Straftat begangen, sind die entsprechenden Inhalte nicht schutzwürdig. Das Interesse, die Voraussetzungen einer zivilrechtlichen Forderung zu beweisen, vermag eine solche Ausnahme hingegen nicht zu rechtfertigen.
Führen überwachungsbedürftige Arbeiten zu einem Mangel am Bauwerk, spricht der erste Anschein dafür, dass der bauleitende Architekt einen Bauüberwachungsfehler begangen hat. Das hat das OLG Köln mit Urteil vom 11.01.2024 (7 U 39/23) klargestellt.
Dem Senat lag ein Fall zur Entscheidung vor, in welchem Dachdeckerarbeiten zu gravierenden Feuchtigkeitsschäden am Dach geführt hatten. Die Arbeiten, die u.a. die Ausführung von Dampfsperrbahnen und einer Wärmedämmung beinhalteten, ordnete das Gericht als schwierig und gefahrträchtig ein. Damit hätten sie in jedem Fall einer umfangreichen Bauaufsicht des Architekten bedurft. Diese Überwachungspflichten hatte der Architekt verletzt, wofür der erste Anschein spreche. Hierzu erläutert das Gericht: Ein Beweis des ersten Anscheins für einen Bauüberwachungsfehler könne jedenfalls bei der mangelhaften Ausführung solcher Arbeiten angenommen werden, die besonders zu überwachen gewesen wären. Dies sei bei den streitgegenständlichen Dachdeckerarbeiten wegen ihrer Schwierigkeit und Gefahrträchtigkeit zu bejahen. Die Mangelhaftigkeit der Arbeiten und die dadurch entstandenen Schäden wären auch bei der gebotenen intensiven Überwachung ohne weiteres für den Bauleiter erkennbar gewesen, so das Gericht. Dieser konnte den Anscheinsbeweis nicht widerlegen, etwa durch detaillierte (Foto-) Dokumentation seiner Überwachungstätigkeit. Der Architekt muss daher für den eingetretenen Schaden einstehen.
Bauleiter sollten stets konkret und vollständig dokumentieren, welche Überwachungstätigkeiten sie durchgeführt haben, idealerweise mit Datum, Uhrzeit, Gewerk etc. Dies gilt jedenfalls für kritische Bauarbeiten, die typische Gefahrenquellen beinhalten; diese sind anders als handwerkliche Selbstverständlichkeiten besonders zu überwachen. Hierzu gehören z.B. Abdichtungs- und Isolierungsarbeiten, Drainagearbeiten, Betonierungs- und Bewehrungsarbeiten, Ausschachtungs- arbeiten usw. Nur durch substantiierte und belegbare Angaben zu den einzelnen Überwachungstätigkeiten kann es gelingen, einen anderenfalls anzunehmenden Anscheinsbeweis zu entkräften.
Bei einem erwarteten Kaufkraftabfluss von weniger als 10 % sind keine schädlichen Auswirkungen eines Einzelhandelsbetriebs auf zentrale Versorgungsbereiche zu erwarten. Das hat der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg mit Urteil vom 29.08.2024 (8 S 2499/22) bestätigt.
Worum ging es? Ein Unternehmer beantragte bei der Baubehörde einen Bauvorbescheid für sein Vorhaben, einen Getränkemarkt in das Erdgeschoss eines Parkhauses einzubauen. Der Getränkemarkt sollte eine Verkaufsfläche von 790 m² haben. Auf dem Nachbargrundstück befand sich bereits ein Verbrauchermarkt mit einer Verkaufsfläche von 5000 m², zu der auch eine Getränkeabteilung gehörte. Die Baubehörde lehnte den Bauvorbescheid mit der Begründung ab, dass von dem geplanten Getränkemarkt schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche im Sinne des § 34 Abs. 3 BauGB zu erwarten seien.
Dem folgt der VGH – anders als das erstinstanzliche Verwaltungsgericht – nicht. Er gab der Klage auf Erteilung des Bauvorbescheides statt. Zur Begründung führte der VGH aus: Schädliche Auswirkungen im Sinne des § 34 Abs. 3 BauGB verlangten, dass die Funktionsfähigkeit zentraler Forschungsbereiche der Beklagten oder von Nachbargemeinden so nachhaltig gestört würden, dass sie ihren Versorgungsauftrag nicht mehr substantiell wahrnehmen könnten. Das sei hier nicht zu erwarten. „Allein mit der Möglichkeit einzelner Kundenverlagerungen mit gelegentlich auch stattfindenden Kaufkraftabschlüssen“ könnten keine schädlichen Auswirkungen begründet werden. Die Unschädlichkeit des Vorhabens werde hier durch die Auswirkungswirkungsanalyse des Verbrauchermarktbetreibers bestätigt. Danach habe der unmittelbar benachbarte Verbrauchermarkt selbst dann, wenn man eine maximale Flächenproduktivität des Getränkemarkts annähme, nur einen Umsatzrückgang von weniger als 2 % zu befürchten. Bei einem derart niedrigen Wert liege es, so der VGH, „gänzlich fern, dass in einem der zentralen Versorgungbereiche ein erheblicher Kaufkraftabfluss – von ca. 10 % oder mehr – zu erwarten sein könnte“.
Das Urteil zeigt: Die Rechtsprechung betont zwar, dass es für die Frage, ob ein Einzelhandelsvorhaben schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche habe, auf eine „Gesamtbetrachtung aller städtebaulich relevanten Umstände“ ankomme. Falls sich aber bereits aufgrund ‚harter‘ gutachterlicher Zahlen belegen lässt, dass bei den vorhandenen Betrieben kein Umsatzrückgang von mindestens 10 % zu erwarten ist, darf einem neu hinzutretenden Betrieb die Zulassung nicht verwehrt werden.
Das Recht, aus einer Mietbürgschaft Zahlung zu verlangen, richtet sich im Zweifel nicht nach der Bezeichnung in der Bürgschaftsurkunde, sondern nach der Vermieterstellung. Das hat das OLG Frankfurt mit Urteil vom 20.12.2023 (3 U 129/23) entschieden.
In dem Fall verlangte der Vermieter eines Gewerberaummietvertrages von der Mietbürgin – einer Versicherung – die Zahlung wegen Rückständen des Mieters. In der Bürgschaftsurkunde war der Vermieter als Berechtigter nicht ausdrücklich genannt, sondern die für das Mietobjekt zuständige Hausverwaltung. Der Mietvertrag und sein Mietgegenstand waren aber so genau bezeichnet, dass über das zugrundeliegende Mietverhältnis kein Zweifel bestand.
Die Bürgin war der Ansicht, dem Vermieter keine Zahlung aus der Bürgschaft zu schulden, da dieser in der Vertragsurkunde nicht als Gläubiger genannt sei. Das sah das OLG Frankfurt anders.
Nach dem Inhalt der Bürgschaftserklärungen stehe dem Vermieter die Forderung aus der Bürgschaft zu. Dass er nicht ausdrücklich als begünstigter Gläubiger genannt sei, ändere daran nichts. Die Bürgschaft sei vielmehr so auszulegen, dass die Bürgin sich bereit erklärt habe, an den betreffenden Vermieter zu zahlen.
Die Bürgin müsse die Bürgschaftserklärung so gegen sich gelten lassen, wie sie bei Berücksichtigung der für den Vermieter erkennbaren Umstände objektiv aufzufassen sei. Die Begleitumstände müssten in die Auslegung einbezogen werden, wenn sie für den Vermieter einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Die Eintragung des Verwalters sei insofern nicht ausschlaggebend. Er könne offensichtlich nicht als Berechtigter gemeint sein, da er nicht Partei des Mietvertrages sei und daher nie Ansprüche aus dem Vertrag haben könne, die mit der Bürgschaft gesichert werden sollten. Weil das besicherte Mietverhältnis hier völlig eindeutig bezeichnet wurde, bestehe kein Zweifel daran, dass der Vermieter Berechtigter aus der Bürgschaft sein sollte.
Obwohl die Ungenauigkeiten in der Bürgschaftsurkunde hier nicht zum Tragen kamen, sollte man als Vermieter bei der Annahme von Mietbürgschaften immer sehr genau auf deren Inhalt achten. Denn auch in anderen Fällen entspricht der Inhalt der Bürgschaftsurkunde nicht den Vereinbarungen des Mietvertrages. Entsprechende Fehler geschehen zum Beispiel, weil Muster des Bürgen genutzt werden. Akzeptiert der Vermieter eine Bürgschaft, die vom Vertrag abweicht, kann darin eine stillschweigende Änderung des Mietvertrages liegen. Diese kann wiederum die gesetzliche Schriftform verletzen mit der Folge, dass der Mietvertrag vor dem Ablauf der vereinbarten Festlaufzeit kündbar ist (§§ 578, 550 BGB).
Dass der Gesetzgeber die gesetzliche Schriftform durch die gesetzliche Textform ersetzen will, ändert daran nichts. Denn eine stillschweigende Vertragsänderung erfüllt auch keine Textform.
Im Rahmen der Objektüberwachung muss der Architekt kritischeren und wichtigeren Bauabschnitten erhöhte Aufmerksamkeit schenken. Dies gilt erst recht, wenn sich im Laufe der Bauausführung bereits Anhaltspunkte für Mängel gezeigt haben. In diesem Fall reicht es nicht, wenn der Architekt lediglich Stichproben durchführt. Das hat das OLG Oldenburg (Urteil vom 08.11.2022 – 2 U 10/22) klargestellt.
Ein Architekt war mit der baubegleitenden Bauüberwachung für den Bau eines Einfamilienhauses beauftragt worden. Vor Fertigstellung des Bauvorhabens kamen dem Bauherrn Zweifel an der Mangelfreiheit der Wärmedämmarbeiten. Ein Sachverständiger stellte fest, dass der Baufirma bei Ausführung der Arbeiten tatsächlich Fehler unterlaufen waren, die der Architekt hätte erkennen können und müssen. Das Gericht gab der Schadensersatzklage des Bauherren statt, weil der Architekt seine Bauüberwachungspflichten verletzt habe. Hierzu führte das OLG Oldenburg aus, dass Umfang und Intensität der geschuldeten Überwachung von den Anforderungen der Baumaßnahme sowie den konkreten Umständen abhingen. Einfache Arbeiten bedürften gar keiner Überwachung. Hingegen unterliege die Überwachung von Wärmedämmarbeiten höheren Anforderungen. Diesen Anforderungen sei der Architekt, der nur stichprobenartige Prüfungen vorgenommen habe, nicht ansatzweise gerecht geworden. Überdies hätte dem Architekten anhand der Stichproben auffallen müssen, dass die Arbeiten mangelhaft gewesen seien.
Immer wieder sehen sich mit der Objektüberwachung beauftragte Architekten den Schadensersatzansprüchen ihrer Bauherren ausgesetzt. Nicht selten haben die Bauherren mit diesen Ansprüchen Erfolg. Denn zu oft werden die Überwachungspflichten nicht erfüllt bzw. nicht ernst genug genommen. Das mag auch daran liegen, dass die Rechtsprechung die Anforderungen an die Überwachung so verschärft hat, dass sie kaum noch leistbar erscheint. Erschwerend kommt hinzu: Die geschädigten Bauherren halten sich bei einem Schaden meist nicht die ausführende Baufirma, die in erster Linie verantwortlich ist. Vielmehr nehmen sie den Architekten in Anspruch, weil dieser haftpflichtversichert ist.
Eine Baugenehmigung für eine Wohnung deckt nicht deren Umnutzung als Praxis. Eine dagegen gerichtete Nutzungsuntersagung ist rechtmäßig. Dies hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) mit Beschluss vom 01.10.2024 entschieden.
In dem zugrunde liegenden Fall hatte die Baubehörde im Jahre 2019 eine Baugenehmigung zur Errichtung eines Zweifamilienhauses im Außenbereich erteilt. Zu Beginn des Jahres 2021 verlegten die Hauseigentümer ihre Praxis für Naturheilverfahren in das Erdgeschoss des Gebäudes. Als die Baubehörde von der Umnutzung erfuhr, stellten die Hauseigentümer einen nachträglichen Bauantrag zur Genehmigung der Nutzungsänderung. Die Baubehörde lehnte den Bauantrag ab und ordnete die Einstellung der Praxisnutzung an. Sie erklärte den Bescheid für sofort vollziehbar und drohte ein Zwangsgeld für den Fall der Zuwiderhandlung in Höhe von 3.000 € an.
Die Hauseigentümer wendeten sich mit einem Eilantrag gegen das behördliche Vorgehen. Die Umnutzung sei – auch im Außenbereich – genehmigungsfähig, weil insoweit der Bestandschutz aus der Genehmigung des Zweifamilienhauses greife. Dem folgte der VGH nicht. Er wies den Antrag ab. Zur Begründung führte er aus: Eine Nutzungsuntersagung könne bereits dann ausgesprochen werden, wenn eine bauliche Anlage ohne erforderliche Genehmigung, also formell illegal, genutzt werde. Da die Nutzungsuntersagung in erster Linie die Funktion habe, den Bauherrn auf das Genehmigungsverfahren zu verweisen, müsse grundsätzlich nicht geprüft werden, ob das Vorhaben auch gegen materielles Recht verstoße. Es entspreche regelmäßig pflichtgemäßer Ermessensausübung, wenn die Bauaufsichtsbehörde eine formell illegale Nutzung durch den Erlass einer Nutzungsuntersagung unterbinde.
Hier hätten die Hauseigentümer für die Umnutzung der Wohnung einer Baugenehmigung bedürft, so der Senat weiter. Eine Praxis liege nicht innerhalb der Variationsbreite einer Wohnnutzung, sondern weise eindeutig eine andere Zweckbestimmung auf. Die neue Nutzung berühre andere öffentlich-rechtliche Vorschriften, wie z.B. die Stellplatzfrage, Immissionen sowie die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit und das Rücksichtnahmegebot.
Zwar könne eine Nutzungsuntersagung ausnahmsweise ermessensfehlerhaft sein, wenn die untersagte Nutzung offensichtlich genehmigungsfähig sei. Davon könne hier aber schon deshalb nicht gesprochen werden, weil das Vorhaben im Außenbereich gemäß § 35 BauGB verwirklicht werden sollte. Die vorliegende Baugenehmigung vermittele insoweit keinen Bestandsschutz, weil sie sich nur auf die Wohnnutzung beziehe.
Dass sich das Wohnhaus im Außenbereich befand, hat die ungenehmigte Umnutzung der Räume im Erdgeschoss besonders riskant gemacht. Aber auch ohne diese Besonderheit waren die Hauseigentümer bei ihrem Vorgehen schlecht beraten. Denn es ist grundsätzlich immer mit einer sofort vollziehbaren Nutzungsuntersagung zu rechnen, wenn eine genehmigte Nutzung so geändert wird, dass sie eine andere Zweckbestimmung verfolgt. Investitionen in die neue Nutzung verfügen nur dann über eine sichere Grundlage, wenn diese bestandskräftig genehmigt ist.
Die erhebliche Verlängerung der Gewährleistung für bestimmte Teile eines Werkes bedeutet nicht, dass der Werkunternehmer unter allen Umständen für deren Bestand einstehen will. Darauf hat das OLG München mit Beschluss vom 23.07.2024 (27 U 213/24 Bau) hingewiesen.
In dem Fall ging es um Ansprüche wegen Mängeln aus einem im Jahr 1997 geschlossenen Hausbauvertrag über ein Wohnhaus in Holzständerbauweise. Der Vertrag enthielt die folgende Klausel:
„Die Gewährleistungsfrist richtet sich nach VOB und beträgt 2 Jahre ab Abnahme bzw. Einzug. Auf konstruktive Teile beträgt die Gewährleistungsfrist 30 Jahre unter der Voraussetzung, dass die Ausbaurichtlinien des Herstellers (Bauhandbuch) eingehalten und auch keine anderen Materialien als vom Hersteller empfohlen verwendet werden. […]“
Das Haus wurde noch im Jahr 1997 fertiggestellt und abgenommen. 2010 wandte sich der Besteller erstmals wegen Rissen in der Fassade an den Unternehmer. Dieser verwies auf den Ablauf der Gewährleistung. 2021 wandte sich der Besteller erneut an den Unternehmer und rügte den Zustand des Gebäudes. Durch Undichtigkeiten der Fassade sei Wasser eingedrungen und habe die tragende Konstruktion des Hauses beschädigt. Der Unternehmer war nicht bereit, sich an der Beseitigung der Schäden zu beteiligen. Er verwies erneut auf den Ablauf der Gewährleistungsfrist für Schäden an der Fassade.
Daraufhin ließ der Besteller die Schäden durch Dritte beseitigen und verlangte von dem Unternehmer Kostenersatz. Er war der Meinung, seine Gewährleistungsansprüche seien nicht verjährt, da der Unternehmer nach dem Vertrag eine 30-jährige Garantie für alle konstruktiven Teile abgegeben habe.
Dem folgte das OLG nicht. Der Besteller lege den Vertrag so weit aus, dass letztlich jeder Mangel an dem errichteten Haus zur Haftung führe, wenn es zu Schäden an konstruktiven Teilen gekommen sei. Das gehe über eine reine Beschaffenheitsvereinbarung hinaus und unterstelle dem Unternehmer einen Garantiewillen, wonach er unter allen Umständen für den Bestand der konstruktiven Teile einstehen wolle. Das sei hier jedoch nicht anzunehmen. Es handele sich nur um eine Verlängerung der gesetzlichen Gewährleistungspflicht für die Beschaffenheit der konstruktiven Teile. Diese Teile waren aber für sich genommen nicht mangelhaft, sondern lediglich von der durch die Fassade eindringenden Feuchtigkeit beschädigt worden.
Das OLG wies hier völlig zurecht darauf hin, dass nach den Umständen des Einzelfalls keine Haftung mehr anzunehmen war. Unabhängig davon ist beim Umgang mit „Garantie“-Erklärungen aber immer Vorsicht geboten. Schnell ist eine unbedachte Erklärung doch als eine weitgehende Zusage zu verstehen. Von einem Anpreisen der eigenen Leistungen ist es dann oft nicht weit zu einer umfassenden Haftung.
Handelt ein Architekt bewusst pflichtwidrig, ist der Versicherungsschutz wegen Planungsfehlern ausgeschlossen. Bei Verletzung elementarer beruflicher Pflichten liegt immer ein bewusster Pflichtverstoß vor, weil nach der Lebenserfahrung von der Kenntnis dieser Pflichten bei jedem Architekten schlicht ausgegangen werden muss. Das hat das OLG Köln durch Beschluss vom 10.08.2023 (9 U 241/22) klargestellt.
In dem entschiedenen Fall war der Architekt 2010 mit der Sanierung eines Wohnhauses aus den 60er-Jahren beauftragt worden. Den Vorschlag des Architekten, das Haus neu abzudichten und zu dämmen, lehnte der Bauherr aus Kostengründen ab. Als bereits kurze Zeit nach der Sanierungsmaßnahme erhebliche Feuchtigkeits- und Schimmelschäden auftraten, verlangte der Bauherr vom Architekten Schadensersatz. Im Ergebnis ohne Erfolg. Hierzu führte das Gericht aus: Zwar sei die Planung des Architekten mangelhaft gewesen und hätte zu dem Schimmelpilz- und Schwammbefall geführt. Denn nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hätten sowohl die Bodenplatte als auch die erdberührten Außenwände im Zuge der Sanierung neu abgedichtet werden müssen. Dennoch müsse die Haftpflichtversicherung des zwischenzeitlich insolventen Architekten nicht für den dadurch entstandenen Schaden aufkommen. Es bestehe nämlich kein Haftpflichtversicherungsschutz für Ansprüche wegen solcher Schäden, die der Versicherungsnehmer durch ein bewusst pflichtwidriges Verhalten verursacht habe. Insofern war das Gericht davon überzeugt, dass der Architekt gegen elementare Berufspflichten verstoßen und daher bewusst pflichtwidrig gehandelt habe. Fundierte Kenntnisse über Bauwerksabdichtungen gehörten zum elementaren Basiswissen eines jeden planenden und bauüberwachenden Architekten.
Es ist besonders bitter: Bei einem derart gravierenden Planungsfehler, dass das Fehlen von Elementarwissen und damit ein bewusster Pflichtenverstoß auf der Hand liegen, muss keine Haftpflichtversicherung zahlen. Ist der Architekt selbst – wie hier – insolvent, bleibt der Bauherr auf seinem Schaden sitzen. Daher sollte jeder, der seinen Architekten auf Schadensersatz in Anspruch nehmen will, sorgfältig überlegen, wie er den Anspruch begründet. Für einen regulären Planungsmangel hätte die Versicherung einstehen müssen.