Rechtsanwalt
Jobst Melcher
Jobst Melcher ist Spezialist im gewerblichen Mietrecht und im privaten Baurecht.
Über mich
Vita
1996 Erstes juristisches Staatsexamen in Osnabrück
1996-1998 Referendariat in Essen und Utrecht
1998 Zweites juristisches Staatsexamen in Düsseldorf
1998 Zulassung als Rechtsanwalt in Kleve
1998 – 2001 Rechtsanwalt bei Strick Rechtsanwälte & Steuerberater, Kleve
2001 – 2004 Rechtsanwalt bei Houthoff, Rotterdam
2004 – 2010 Leiter Recht Deutschland bei Multi Development, Duisburg
2010 – 2019 Leiter Recht Deutschland bei Corio/Klépierre, Duisburg
Seit 2019 Rechtsanwalt und Geschäftsführer bei recht planbar Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
2021 Abschluss des Fachanwaltslehrgangs Bau- und Architektenrecht
Mitgliedschaften
- Mitglied des Deutschen Anwaltvereins (DAV) e.V.
- Mitglied der Deutsch-Niederländischen Rechtsanwaltsvereinigung e.V.
- Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Baurecht e.V.
Sonstiges
- Englische und niederländische Sprachkenntnisse
Aktuelles
Die Funktionsfähigkeit eines Werkes kann schon beeinträchtigt und das Werk daher mangelhaft sein, wenn das Risiko eines Gefahreintritts besteht. Das hat das OLG Stuttgart mit Urteil vom 18.09.2023 (10 U 15/23) entschieden.
In dem Fall, über den das OLG zu entscheiden hatte, hatte ein Unternehmer Abwasserleitungen für zwei benachbarte Häuser erstellt. In dem Leitungssystem hatte er sein Werkzeug vergessen. Diese Abwasserleitungen wurden zunächst für beide Häuser separat geführt und dann in einer gemeinsamen Leitung in Richtung des öffentlichen Abwasserkanals vereinigt. Das vergessene Werkzeug führte im gemeinsamen Leitungsabschnitt zu einer Verstopfung. In der Folge kam es zu einem Wasserschaden in einem der angeschlossenen Häuser. Der geschädigte Eigentümer verklagte den Auftragnehmer auf Schadenersatz. Ob das Werkzeug in dem gemeinsamen Teil der Leitung vergessen wurde, oder aus einem der separaten Abschnitte dorthin gespült wurde, ließ sich nicht mehr feststellen.
Der Auftragnehmer vertrat die Ansicht, keinen Ersatz des Schadens zu schulden. Es stehe schließlich nicht fest, in welchem Leitungsabschnitt er das Werkzeug vergessen worden sei. Das Werkzeug könne auch über den Leitungsteil des Nachbarn in das gemeinsame Abwasserrohr gelangt sein. Für den Leitungsteil des Nachbarn bestehe aber kein Werkvertrag zwischen ihm und dem geschädigten Eigentümer, so dass auch keine Mängelgewährleistung geschuldet werde.
Zu Unrecht, wie das OLG entschied. Die Funktionsfähigkeit eines Werkes könne schon dann beeinträchtigt und das Werk daher mangelhaft sein, wenn der Werkunternehmer das Risiko eines Gefahreintritts begründet habe. Diesen treffe eine vertragliche Nebenpflicht, die Funktion der einen Rohrleitung nicht durch Fehler bei der Errichtung einer anderen Rohrleitung zu gefährden. Der Auftragnehmer habe daher auch die separate Abwasserleitung des Nachbarhauses so errichten müssen, dass davon keine Gefahr für die Funktionsfähigkeit der Leitung des Klägers ausgehe.
Völlig zurecht erteilt das OLG dem Versuch des Werkunternehmers eine Absage, sich der Haftung zu entziehen. Etwas anderes würde natürlich gelten, wenn das Werk, von dem die Gefahr für ein anderes Werk ausgeht, nicht von demselben Unternehmer errichtet wurde. Dann hätte sich der Kläger an den dritten Verursacher halten müssen.
Auch wenn der Vermieter ca. 80% der Einzelhandelsflächen eines Einkaufszentrums in Büros umbaut, berechtigt dies einen Einzelhandelsmieter nicht zur Kündigung. So hat das Kammergericht in Berlin mit Urteil vom 22.05.2023 (8 U 47/22) entschieden.
In dem Fall, über den das Kammergericht zu entscheiden hatte, wehrte sich der Vermieter mit Erfolg gegen eine außerordentliche Kündigung des Mieters. Der Mieter hatte fristlos gekündigt, nachdem der Vermieter ca. 80 % des ersten OG in dem erst 2018 eröffneten Einkaufszentrum in Büros umgebaut hatte. Der Umbau erfolgte, weil das Einkaufszentrum eine zu geringe Kundenfrequenz aufwies. Die Räume des Mieters blieben vollständig zugänglich und nutzbar. Der Mietvertrag enthielt keine Vereinbarungen zu einem bestimmten Charakter des Einkaufszentrums, eines bestimmten Mieterbesatzes oder der Nutzungsart anderer Mietflächen.
Der Mieter war der Ansicht, die sofortige Beendigung des Mietverhältnisses sei gemäß § 543 Abs. 2 S. 1. Nr. 1 BGB wegen einer Entziehung des vertragsgemäßen Gebrauchs, also eines Mangels der Mietsache, gerechtfertigt. Außerdem stützte er sie gemäß § 313 Abs. 3 S. 2 BGB auf eine Störung der Geschäftsgrundlage.
Diese Ansicht teilte das Kammergericht nicht. Es liege kein Mangel der Mietsache vor, weil diese dem Mieter vollständig zugänglich und nutzbar zur Verfügung gestanden habe. Auch seien keine weiteren Eigenschaften vertraglich zugesichert worden, die einen Mangel der Mietsache wegen einer geringen Besucherfrequenz oder des Umbaus in Büroflächen begründen würden.
Auch eine Störung der Geschäftsgrundlage liege nicht vor. Das setze eine Veränderung voraus, die nicht eindeutig in den Risikobereich einer der Parteien falle. Dass sich ein Einkaufszentrums gut entwickele, falle hingegen in den Risikobereich des Mieters, ebenso wie seine sonstigen Geschäftserwartungen. Der Mieter trage das Verwendungsrisiko für den Mietgegenstand. Das Verwendungsrisiko umfasse auch das Risiko einer Veränderung der Mieterstruktur im Umfeld des Mietobjektes.
Es kommt immer wieder vor, dass die Erwartungen von Mietern an den Erfolg eines neuen Einkaufszentrums enttäuscht werden und sie deshalb versuchen, sich vom Mietverhältnis zu lösen. Mieter sind dann oftmals überrascht, dass ihnen keine Rechte zustehen, wenn nicht ausdrücklich bestimmte Eigenschaften des Einkaufszentrums oder eine andere Form der Risikoübernahme durch den Vermieter vereinbart wurden. Das hier besprochene Urteil des Kammergerichts orientiert sich konsequent an der einschlägigen Rechtsprechung des BGH. Will der Mieter in einem solche Fall Rechte geltend machen, muss er schon bei der Vertragsverhandlung entsprechende Regelungen durchsetzen.
Eine Klausel in einem Mietvertrag, die den Versand der Kündigung durch eingeschriebenen Brief fordert, ist regelmäßig dahin auszulegen, dass der Zugang auch anderweitig nachgewiesen werden kann und die Versandart keine Voraussetzung für die Wirksamkeit der Kündigung ist. Das hat das OLG Köln mit Urteil vom 12.4.2019 (1 U 82/18) entschieden.
In dem zugrundeliegenden Fall hatte ein Mieter von Gewerberäumen das Mietverhältnis per einfachem Brief gekündigt. Der Mietvertrag enthielt zu Kündigungen die folgende Klausel:
„Die Kündigung muss schriftlich durch Einschreibebrief an den Vermieter erfolgen.“
Der Vermieter widersprach der Kündigung „aus formellen Gründen“ ebenfalls per Brief. Zur Begründung der Unwirksamkeit der Kündigung berief er sich darauf, dass die Kündigung nicht per Einschreiben erfolgt sei. Ohne Erfolg, wie das OLG Köln entschied.
Die streitgegenständliche Vertragsklausel, so das OLG Köln, beinhalte die Abrede der Schriftform für die Kündigungserklärung und zusätzlich die Vereinbarung der besonderen Übersendungsart durch einen eingeschriebenen Brief. Bei einer solchen Klausel sei nur die Schriftform von formeller Bedeutung für die Wirksamkeit der Kündigung, während die Versendung als Einschreiben nur den Zugang der Kündigungserklärung sichern solle. Der Zugang könne auch in anderer Weise wirksam erfolgen.
Anhand der Formulierung der Vertragsklausel könnte man hier auf den ersten Blick annehmen, zur Wirksamkeit der Kündigung sei auch die Versendung per Einschreiben erforderlich. Dem erteilt das OLG Köln zurecht eine Absage, da ein Einschreiben grundsätzlich nur dem Beweis des Zugangs dient. Dass dies hier anders sein sollte, lässt sich der zitierten Vertragsklausel nicht entnehmen. Anders kann es sein, wenn sich aus dem Vertrag ausdrücklich ergibt, dass die Art der Versendung für die Wirksamkeit der Kündigung entscheidend sein soll.
Um einen Auftrag bei einer freien Kündigung des Auftraggebers als „Füllauftrag“ bewerten zu können, muss ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Kündigung und dem Ersatzauftrag bestehen. Das hat das OLG Celle mit Beschluss vom 21.02.2023 (4 U 4/22) bestätigt.
In dem Fall, über den das OLG zu entscheiden hatte, hatte der Auftraggeber eines Bauvertrages über Innenausbauleistungen den Vertrag frei gekündigt. Der Auftragnehmer verlangte daraufhin die vereinbarte Vergütung. Der Auftraggeber vertrat die Ansicht, der Auftragnehmer müsse sich auf die vereinbarte Vergütung Einkünfte aus Aufträgen anrechnen lassen, die er zum Zeitpunkt der Kündigung bereits angenommen hatte. Dabei handele es sich, so der Auftraggeber, nämlich um anderweitige Einkünfte, die der Auftragnehmer ohne die Kündigung nicht habe erzielen können.
Zu Unrecht, wie das OLG Celle entschied. Ein Auftrag sei nur dann ein anzurechnender Füllauftrag, wenn ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Auftrag und der Kündigung bestehe. Dass der Auftragnehmer neben dem gekündigten Auftrag noch andere Aufträge zur parallelen Bearbeitung angenommen habe, mache diese noch nicht zu anrechenbaren „Füllaufträgen“, die auf das vereinbarte Honorar anzurechnen seien.
Zurecht schiebt das OLG der Argumentation des Auftraggebers einen Riegel vor. Handelt es sich um eine freie Kündigung, also um eine Kündigung, die nicht durch ein Fehlverhalten des Auftragnehmers begründet ist, steht diesem grundsätzlich die volle Vergütung zu. Werden durch die Kündigung allerdings Kapazitäten frei, die er zur Annahme neuer Aufträge nutzt, muss er sich diese anrechnen lassen. Das war hier gerade nicht der Fall.
Ist eine Änderung des Mietzwecks nicht in einem schriftformgerechten Nachtrag zum Mietvertrag niedergelegt, kann das Mietverhältnis jederzeit mit gesetzlicher Frist gekündigt werden. Das hat das OLG Hamburg mit Urteil vom 31.01.2024 (4 U 69/23) erneut bestätigt.
Der Fall, über den das OLG zu entscheiden hatte, behandelt exemplarisch die gesetzliche Schriftform, welche bekanntlich für Mietverträge mit einer festen Laufzeit von mehr als einem Jahr gilt. Hier verlangte die Vermieterin die Räumung von Kanzleiräumen, nachdem sie gegenüber ihrer Mieterin, einer Rechtsanwaltssozietät, eine ordentliche Kündigung ausgesprochen hatte.
Die Räume hatten die Rechtsanwälte eigentlich für eine längere Festlaufzeit angemietet. Zwischenzeitlich hatten sich die Parteien allerdings auf eine Änderung des Mietzwecks von „Betrieb einer Rechtsanwaltssozietät“ auf „Betrieb einer Rechtsanwaltssozietät und verwandter Berufsausübung wie Steuerberatung, Wirtschaftsprüfung und Vermögensberatung“ geeinigt. Zu der Änderung gab es keine förmliche Nachtragsvereinbarung zum Mietvertrag, sondern lediglich ein Bestätigungsschreiben. Die Vermieterin berief sich zur Begründung ihrer ordentlichen Kündigung auf einen Schriftformmangel. Dieser liege darin, dass die Änderung des vereinbarten Mietzwecks, einer wesentlichen Vertragsbestimmung, ohne Einhaltung der gesetzlichen Schriftform vereinbart worden sei. Die beklagten Rechtsanwälte waren der Ansicht, es handele sich nicht um die Änderung einer wesentlichen Vertragsbestimmung, sondern nur um eine unwesentliche Modifikation des Mietzwecks „Büronutzung“.
Zu Unrecht, wie das OLG Hamburg entschied. Es berief sich dazu auf die einschlägige Rechtsprechung des BGH. Demnach handelt es sich bei einer Änderung des Mietzwecks bzw. der zulässigen Nutzungen der Mietsache stets um wesentliche Vertragsinhalte, die zur Vermeidung des Verlustes der festen vereinbarten Vertragslaufzeit der Schriftform bedürfen (BGH, Beschluss vom 25. Januar 2017 – XII ZR 69/16).
Die Entscheidung des OLG Hamburg war in Anbetracht der vorliegenden BGH-Rechtsprechung wenig überraschend. Sie soll hier aber zum Anlass genommen werden, noch einmal auf die gegebenenfalls erheblichen Risiken hinzuweisen, die Mietern und Vermietern drohen, wenn sich die jeweils andere Partei wegen eines Schriftformmangels zur Beendigung eines, eigentlich langfristig geschlossenen, Mietvertrages entscheiden kann.
Allerdings besteht die Hoffnung, dass das „Damoklesschwert“ der Schriftform endlich entschärft wird: Die Bundesregierung hat einen Gesetzesentwurf eingebracht, mit dem die Regelung zur Schriftform für Mietverhältnisse über Grundstücke und Räume, die nicht Wohnräume sind, aufgehoben und durch die Textform des § 126b BGB ersetzt werden soll. Die Textform ist leichter einzuhalten als die Schriftform, verlangt sie doch lediglich, dass eine Erklärung in einer zur dauerhaften Wiedergabe in Schriftzeichen geeigneten Weise abgegeben werden muss. Dem genügen, neben Brief oder Fax zum Beispiel auch E-Mails.