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Bei einem erwarteten Kaufkraftabfluss von weniger als 10 % sind keine schädlichen Auswirkungen eines Einzelhandelsbetriebs auf zentrale Versorgungsbereiche zu erwarten. Das hat der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg mit Urteil vom 29.08.2024 (8 S 2499/22) bestätigt.
Worum ging es? Ein Unternehmer beantragte bei der Baubehörde einen Bauvorbescheid für sein Vorhaben, einen Getränkemarkt in das Erdgeschoss eines Parkhauses einzubauen. Der Getränkemarkt sollte eine Verkaufsfläche von 790 m² haben. Auf dem Nachbargrundstück befand sich bereits ein Verbrauchermarkt mit einer Verkaufsfläche von 5000 m², zu der auch eine Getränkeabteilung gehörte. Die Baubehörde lehnte den Bauvorbescheid mit der Begründung ab, dass von dem geplanten Getränkemarkt schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche im Sinne des § 34 Abs. 3 BauGB zu erwarten seien.
Dem folgt der VGH – anders als das erstinstanzliche Verwaltungsgericht – nicht. Er gab der Klage auf Erteilung des Bauvorbescheides statt. Zur Begründung führte der VGH aus: Schädliche Auswirkungen im Sinne des § 34 Abs. 3 BauGB verlangten, dass die Funktionsfähigkeit zentraler Forschungsbereiche der Beklagten oder von Nachbargemeinden so nachhaltig gestört würden, dass sie ihren Versorgungsauftrag nicht mehr substantiell wahrnehmen könnten. Das sei hier nicht zu erwarten. „Allein mit der Möglichkeit einzelner Kundenverlagerungen mit gelegentlich auch stattfindenden Kaufkraftabschlüssen“ könnten keine schädlichen Auswirkungen begründet werden. Die Unschädlichkeit des Vorhabens werde hier durch die Auswirkungswirkungsanalyse des Verbrauchermarktbetreibers bestätigt. Danach habe der unmittelbar benachbarte Verbrauchermarkt selbst dann, wenn man eine maximale Flächenproduktivität des Getränkemarkts annähme, nur einen Umsatzrückgang von weniger als 2 % zu befürchten. Bei einem derart niedrigen Wert liege es, so der VGH, „gänzlich fern, dass in einem der zentralen Versorgungbereiche ein erheblicher Kaufkraftabfluss – von ca. 10 % oder mehr – zu erwarten sein könnte“.
Das Urteil zeigt: Die Rechtsprechung betont zwar, dass es für die Frage, ob ein Einzelhandelsvorhaben schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche habe, auf eine „Gesamtbetrachtung aller städtebaulich relevanten Umstände“ ankomme. Falls sich aber bereits aufgrund ‚harter‘ gutachterlicher Zahlen belegen lässt, dass bei den vorhandenen Betrieben kein Umsatzrückgang von mindestens 10 % zu erwarten ist, darf einem neu hinzutretenden Betrieb die Zulassung nicht verwehrt werden.
Das Recht, aus einer Mietbürgschaft Zahlung zu verlangen, richtet sich im Zweifel nicht nach der Bezeichnung in der Bürgschaftsurkunde, sondern nach der Vermieterstellung. Das hat das OLG Frankfurt mit Urteil vom 20.12.2023 (3 U 129/23) entschieden.
In dem Fall verlangte der Vermieter eines Gewerberaummietvertrages von der Mietbürgin – einer Versicherung – die Zahlung wegen Rückständen des Mieters. In der Bürgschaftsurkunde war der Vermieter als Berechtigter nicht ausdrücklich genannt, sondern die für das Mietobjekt zuständige Hausverwaltung. Der Mietvertrag und sein Mietgegenstand waren aber so genau bezeichnet, dass über das zugrundeliegende Mietverhältnis kein Zweifel bestand.
Die Bürgin war der Ansicht, dem Vermieter keine Zahlung aus der Bürgschaft zu schulden, da dieser in der Vertragsurkunde nicht als Gläubiger genannt sei. Das sah das OLG Frankfurt anders.
Nach dem Inhalt der Bürgschaftserklärungen stehe dem Vermieter die Forderung aus der Bürgschaft zu. Dass er nicht ausdrücklich als begünstigter Gläubiger genannt sei, ändere daran nichts. Die Bürgschaft sei vielmehr so auszulegen, dass die Bürgin sich bereit erklärt habe, an den betreffenden Vermieter zu zahlen.
Die Bürgin müsse die Bürgschaftserklärung so gegen sich gelten lassen, wie sie bei Berücksichtigung der für den Vermieter erkennbaren Umstände objektiv aufzufassen sei. Die Begleitumstände müssten in die Auslegung einbezogen werden, wenn sie für den Vermieter einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Die Eintragung des Verwalters sei insofern nicht ausschlaggebend. Er könne offensichtlich nicht als Berechtigter gemeint sein, da er nicht Partei des Mietvertrages sei und daher nie Ansprüche aus dem Vertrag haben könne, die mit der Bürgschaft gesichert werden sollten. Weil das besicherte Mietverhältnis hier völlig eindeutig bezeichnet wurde, bestehe kein Zweifel daran, dass der Vermieter Berechtigter aus der Bürgschaft sein sollte.
Obwohl die Ungenauigkeiten in der Bürgschaftsurkunde hier nicht zum Tragen kamen, sollte man als Vermieter bei der Annahme von Mietbürgschaften immer sehr genau auf deren Inhalt achten. Denn auch in anderen Fällen entspricht der Inhalt der Bürgschaftsurkunde nicht den Vereinbarungen des Mietvertrages. Entsprechende Fehler geschehen zum Beispiel, weil Muster des Bürgen genutzt werden. Akzeptiert der Vermieter eine Bürgschaft, die vom Vertrag abweicht, kann darin eine stillschweigende Änderung des Mietvertrages liegen. Diese kann wiederum die gesetzliche Schriftform verletzen mit der Folge, dass der Mietvertrag vor dem Ablauf der vereinbarten Festlaufzeit kündbar ist (§§ 578, 550 BGB).
Dass der Gesetzgeber die gesetzliche Schriftform durch die gesetzliche Textform ersetzen will, ändert daran nichts. Denn eine stillschweigende Vertragsänderung erfüllt auch keine Textform.
Im Rahmen der Objektüberwachung muss der Architekt kritischeren und wichtigeren Bauabschnitten erhöhte Aufmerksamkeit schenken. Dies gilt erst recht, wenn sich im Laufe der Bauausführung bereits Anhaltspunkte für Mängel gezeigt haben. In diesem Fall reicht es nicht, wenn der Architekt lediglich Stichproben durchführt. Das hat das OLG Oldenburg (Urteil vom 08.11.2022 – 2 U 10/22) klargestellt.
Ein Architekt war mit der baubegleitenden Bauüberwachung für den Bau eines Einfamilienhauses beauftragt worden. Vor Fertigstellung des Bauvorhabens kamen dem Bauherrn Zweifel an der Mangelfreiheit der Wärmedämmarbeiten. Ein Sachverständiger stellte fest, dass der Baufirma bei Ausführung der Arbeiten tatsächlich Fehler unterlaufen waren, die der Architekt hätte erkennen können und müssen. Das Gericht gab der Schadensersatzklage des Bauherren statt, weil der Architekt seine Bauüberwachungspflichten verletzt habe. Hierzu führte das OLG Oldenburg aus, dass Umfang und Intensität der geschuldeten Überwachung von den Anforderungen der Baumaßnahme sowie den konkreten Umständen abhingen. Einfache Arbeiten bedürften gar keiner Überwachung. Hingegen unterliege die Überwachung von Wärmedämmarbeiten höheren Anforderungen. Diesen Anforderungen sei der Architekt, der nur stichprobenartige Prüfungen vorgenommen habe, nicht ansatzweise gerecht geworden. Überdies hätte dem Architekten anhand der Stichproben auffallen müssen, dass die Arbeiten mangelhaft gewesen seien.
Immer wieder sehen sich mit der Objektüberwachung beauftragte Architekten den Schadensersatzansprüchen ihrer Bauherren ausgesetzt. Nicht selten haben die Bauherren mit diesen Ansprüchen Erfolg. Denn zu oft werden die Überwachungspflichten nicht erfüllt bzw. nicht ernst genug genommen. Das mag auch daran liegen, dass die Rechtsprechung die Anforderungen an die Überwachung so verschärft hat, dass sie kaum noch leistbar erscheint. Erschwerend kommt hinzu: Die geschädigten Bauherren halten sich bei einem Schaden meist nicht die ausführende Baufirma, die in erster Linie verantwortlich ist. Vielmehr nehmen sie den Architekten in Anspruch, weil dieser haftpflichtversichert ist.
Eine Baugenehmigung für eine Wohnung deckt nicht deren Umnutzung als Praxis. Eine dagegen gerichtete Nutzungsuntersagung ist rechtmäßig. Dies hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) mit Beschluss vom 01.10.2024 entschieden.
In dem zugrunde liegenden Fall hatte die Baubehörde im Jahre 2019 eine Baugenehmigung zur Errichtung eines Zweifamilienhauses im Außenbereich erteilt. Zu Beginn des Jahres 2021 verlegten die Hauseigentümer ihre Praxis für Naturheilverfahren in das Erdgeschoss des Gebäudes. Als die Baubehörde von der Umnutzung erfuhr, stellten die Hauseigentümer einen nachträglichen Bauantrag zur Genehmigung der Nutzungsänderung. Die Baubehörde lehnte den Bauantrag ab und ordnete die Einstellung der Praxisnutzung an. Sie erklärte den Bescheid für sofort vollziehbar und drohte ein Zwangsgeld für den Fall der Zuwiderhandlung in Höhe von 3.000 € an.
Die Hauseigentümer wendeten sich mit einem Eilantrag gegen das behördliche Vorgehen. Die Umnutzung sei – auch im Außenbereich – genehmigungsfähig, weil insoweit der Bestandschutz aus der Genehmigung des Zweifamilienhauses greife. Dem folgte der VGH nicht. Er wies den Antrag ab. Zur Begründung führte er aus: Eine Nutzungsuntersagung könne bereits dann ausgesprochen werden, wenn eine bauliche Anlage ohne erforderliche Genehmigung, also formell illegal, genutzt werde. Da die Nutzungsuntersagung in erster Linie die Funktion habe, den Bauherrn auf das Genehmigungsverfahren zu verweisen, müsse grundsätzlich nicht geprüft werden, ob das Vorhaben auch gegen materielles Recht verstoße. Es entspreche regelmäßig pflichtgemäßer Ermessensausübung, wenn die Bauaufsichtsbehörde eine formell illegale Nutzung durch den Erlass einer Nutzungsuntersagung unterbinde.
Hier hätten die Hauseigentümer für die Umnutzung der Wohnung einer Baugenehmigung bedürft, so der Senat weiter. Eine Praxis liege nicht innerhalb der Variationsbreite einer Wohnnutzung, sondern weise eindeutig eine andere Zweckbestimmung auf. Die neue Nutzung berühre andere öffentlich-rechtliche Vorschriften, wie z.B. die Stellplatzfrage, Immissionen sowie die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit und das Rücksichtnahmegebot.
Zwar könne eine Nutzungsuntersagung ausnahmsweise ermessensfehlerhaft sein, wenn die untersagte Nutzung offensichtlich genehmigungsfähig sei. Davon könne hier aber schon deshalb nicht gesprochen werden, weil das Vorhaben im Außenbereich gemäß § 35 BauGB verwirklicht werden sollte. Die vorliegende Baugenehmigung vermittele insoweit keinen Bestandsschutz, weil sie sich nur auf die Wohnnutzung beziehe.
Dass sich das Wohnhaus im Außenbereich befand, hat die ungenehmigte Umnutzung der Räume im Erdgeschoss besonders riskant gemacht. Aber auch ohne diese Besonderheit waren die Hauseigentümer bei ihrem Vorgehen schlecht beraten. Denn es ist grundsätzlich immer mit einer sofort vollziehbaren Nutzungsuntersagung zu rechnen, wenn eine genehmigte Nutzung so geändert wird, dass sie eine andere Zweckbestimmung verfolgt. Investitionen in die neue Nutzung verfügen nur dann über eine sichere Grundlage, wenn diese bestandskräftig genehmigt ist.
Die erhebliche Verlängerung der Gewährleistung für bestimmte Teile eines Werkes bedeutet nicht, dass der Werkunternehmer unter allen Umständen für deren Bestand einstehen will. Darauf hat das OLG München mit Beschluss vom 23.07.2024 (27 U 213/24 Bau) hingewiesen.
In dem Fall ging es um Ansprüche wegen Mängeln aus einem im Jahr 1997 geschlossenen Hausbauvertrag über ein Wohnhaus in Holzständerbauweise. Der Vertrag enthielt die folgende Klausel:
„Die Gewährleistungsfrist richtet sich nach VOB und beträgt 2 Jahre ab Abnahme bzw. Einzug. Auf konstruktive Teile beträgt die Gewährleistungsfrist 30 Jahre unter der Voraussetzung, dass die Ausbaurichtlinien des Herstellers (Bauhandbuch) eingehalten und auch keine anderen Materialien als vom Hersteller empfohlen verwendet werden. […]“
Das Haus wurde noch im Jahr 1997 fertiggestellt und abgenommen. 2010 wandte sich der Besteller erstmals wegen Rissen in der Fassade an den Unternehmer. Dieser verwies auf den Ablauf der Gewährleistung. 2021 wandte sich der Besteller erneut an den Unternehmer und rügte den Zustand des Gebäudes. Durch Undichtigkeiten der Fassade sei Wasser eingedrungen und habe die tragende Konstruktion des Hauses beschädigt. Der Unternehmer war nicht bereit, sich an der Beseitigung der Schäden zu beteiligen. Er verwies erneut auf den Ablauf der Gewährleistungsfrist für Schäden an der Fassade.
Daraufhin ließ der Besteller die Schäden durch Dritte beseitigen und verlangte von dem Unternehmer Kostenersatz. Er war der Meinung, seine Gewährleistungsansprüche seien nicht verjährt, da der Unternehmer nach dem Vertrag eine 30-jährige Garantie für alle konstruktiven Teile abgegeben habe.
Dem folgte das OLG nicht. Der Besteller lege den Vertrag so weit aus, dass letztlich jeder Mangel an dem errichteten Haus zur Haftung führe, wenn es zu Schäden an konstruktiven Teilen gekommen sei. Das gehe über eine reine Beschaffenheitsvereinbarung hinaus und unterstelle dem Unternehmer einen Garantiewillen, wonach er unter allen Umständen für den Bestand der konstruktiven Teile einstehen wolle. Das sei hier jedoch nicht anzunehmen. Es handele sich nur um eine Verlängerung der gesetzlichen Gewährleistungspflicht für die Beschaffenheit der konstruktiven Teile. Diese Teile waren aber für sich genommen nicht mangelhaft, sondern lediglich von der durch die Fassade eindringenden Feuchtigkeit beschädigt worden.
Das OLG wies hier völlig zurecht darauf hin, dass nach den Umständen des Einzelfalls keine Haftung mehr anzunehmen war. Unabhängig davon ist beim Umgang mit „Garantie“-Erklärungen aber immer Vorsicht geboten. Schnell ist eine unbedachte Erklärung doch als eine weitgehende Zusage zu verstehen. Von einem Anpreisen der eigenen Leistungen ist es dann oft nicht weit zu einer umfassenden Haftung.
Handelt ein Architekt bewusst pflichtwidrig, ist der Versicherungsschutz wegen Planungsfehlern ausgeschlossen. Bei Verletzung elementarer beruflicher Pflichten liegt immer ein bewusster Pflichtverstoß vor, weil nach der Lebenserfahrung von der Kenntnis dieser Pflichten bei jedem Architekten schlicht ausgegangen werden muss. Das hat das OLG Köln durch Beschluss vom 10.08.2023 (9 U 241/22) klargestellt.
In dem entschiedenen Fall war der Architekt 2010 mit der Sanierung eines Wohnhauses aus den 60er-Jahren beauftragt worden. Den Vorschlag des Architekten, das Haus neu abzudichten und zu dämmen, lehnte der Bauherr aus Kostengründen ab. Als bereits kurze Zeit nach der Sanierungsmaßnahme erhebliche Feuchtigkeits- und Schimmelschäden auftraten, verlangte der Bauherr vom Architekten Schadensersatz. Im Ergebnis ohne Erfolg. Hierzu führte das Gericht aus: Zwar sei die Planung des Architekten mangelhaft gewesen und hätte zu dem Schimmelpilz- und Schwammbefall geführt. Denn nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hätten sowohl die Bodenplatte als auch die erdberührten Außenwände im Zuge der Sanierung neu abgedichtet werden müssen. Dennoch müsse die Haftpflichtversicherung des zwischenzeitlich insolventen Architekten nicht für den dadurch entstandenen Schaden aufkommen. Es bestehe nämlich kein Haftpflichtversicherungsschutz für Ansprüche wegen solcher Schäden, die der Versicherungsnehmer durch ein bewusst pflichtwidriges Verhalten verursacht habe. Insofern war das Gericht davon überzeugt, dass der Architekt gegen elementare Berufspflichten verstoßen und daher bewusst pflichtwidrig gehandelt habe. Fundierte Kenntnisse über Bauwerksabdichtungen gehörten zum elementaren Basiswissen eines jeden planenden und bauüberwachenden Architekten.
Es ist besonders bitter: Bei einem derart gravierenden Planungsfehler, dass das Fehlen von Elementarwissen und damit ein bewusster Pflichtenverstoß auf der Hand liegen, muss keine Haftpflichtversicherung zahlen. Ist der Architekt selbst – wie hier – insolvent, bleibt der Bauherr auf seinem Schaden sitzen. Daher sollte jeder, der seinen Architekten auf Schadensersatz in Anspruch nehmen will, sorgfältig überlegen, wie er den Anspruch begründet. Für einen regulären Planungsmangel hätte die Versicherung einstehen müssen.
Die Bauaufsicht darf auch dann bauliche Maßnahmen zur Gefahrenbeseitigung anordnen, wenn der Gebäudebestand von einer gültigen Baugenehmigung gedeckt ist. Das hat das OVG Nordrhein-Westfalen mit Beschluss vom 20.08.2024 (7 B 486/24) bekräftigt.
Der Entscheidung lag folgender Fall zugrunde: Eine eingeschossige Tiefgarage verfügte über drei Treppenaufgänge ins Freie. Die Treppenhäuser waren von außen an die Garage angebaut und mit ihr durch offene Tür- und Fensteröffnungen verbunden. Dieser baulichen Ausführung lag ein Brandschutzkonzept vom 06.09.2017 und eine Baugenehmigung vom 15.01.2019 zu Grunde. Mit Ordnungsverfügung vom 18.01.2024 gab die Bauaufsicht dem Grundstückseigentümer auf, die Fensteröffnungen zu verschließen und Brandschutztüren in die Türöffnungen einzubauen. Der Eigentümer wehrte sich vor Gericht gegen diese nachträglichen Auflagen. Er berief sich auf Bestandschutz und argumentierte, dass die Öffnungen für die natürliche Belüftung der Tiefgarage erforderlich seien. Zudem legt er ein Brandschutzgutachten vor, wonach die Wandöffnungen ungefährlich seien.
Dem Eilantrag des Eigentümers blieb in beiden Instanzen der Erfolg verwehrt. Das OVG begründete dies so: Die Wandöffnungen verstießen gegen § 35 BauO NRW, wonach notwendige Treppenräume gegen das Eindringen von Feuer und Rauch geschützt sein müssen. Wenn es um eine Gefahr für Leben oder Gesundheit gehe, seien keine übermäßig hohen Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts zu stellen. Daher habe die Bauaufsicht das Gefahrenpotenzial nicht auch noch fachgutachterlich bewerten müssen. Da die Ordnungsverfügung auf die Gefahrenbeseitigung gerichtet sei, stehe ihr der Bestandschutz aus der Baugenehmigung grundsätzlich nicht entgegen. Die Ordnungsverfügung sei auch nicht unverhältnismäßig. Insbesondere sei nicht ersichtlich, dass bei einer Schließung der Wandöffnungen eine aufwendige Belüftungsanlage installiert werden müsse. Die vom Eigentümer vorgelegten Gutachten deuteten darauf hin, dass die natürliche Belüftung auch dann noch funktioniere.
Der Fall zeigt einmal mehr auf, wie schwer es für Grundstückseigentümer ist, nachträgliche Brandschutzauflagen abzuwehren. Dies gilt jedenfalls dann, wenn eine bauliche Ausführung – sei sie bestandsgeschützt oder nicht – von geltenden Brandschutzvorschriften abweicht. In einem solchen Fall nutzt es auch nichts, wenn Fachgutachten die Unbedenklichkeit der Abweichung bescheinigen.
Die Funktionsfähigkeit eines Werkes kann schon beeinträchtigt und das Werk daher mangelhaft sein, wenn das Risiko eines Gefahreintritts besteht. Das hat das OLG Stuttgart mit Urteil vom 18.09.2023 (10 U 15/23) entschieden.
In dem Fall, über den das OLG zu entscheiden hatte, hatte ein Unternehmer Abwasserleitungen für zwei benachbarte Häuser erstellt. In dem Leitungssystem hatte er sein Werkzeug vergessen. Diese Abwasserleitungen wurden zunächst für beide Häuser separat geführt und dann in einer gemeinsamen Leitung in Richtung des öffentlichen Abwasserkanals vereinigt. Das vergessene Werkzeug führte im gemeinsamen Leitungsabschnitt zu einer Verstopfung. In der Folge kam es zu einem Wasserschaden in einem der angeschlossenen Häuser. Der geschädigte Eigentümer verklagte den Auftragnehmer auf Schadenersatz. Ob das Werkzeug in dem gemeinsamen Teil der Leitung vergessen wurde, oder aus einem der separaten Abschnitte dorthin gespült wurde, ließ sich nicht mehr feststellen.
Der Auftragnehmer vertrat die Ansicht, keinen Ersatz des Schadens zu schulden. Es stehe schließlich nicht fest, in welchem Leitungsabschnitt er das Werkzeug vergessen worden sei. Das Werkzeug könne auch über den Leitungsteil des Nachbarn in das gemeinsame Abwasserrohr gelangt sein. Für den Leitungsteil des Nachbarn bestehe aber kein Werkvertrag zwischen ihm und dem geschädigten Eigentümer, so dass auch keine Mängelgewährleistung geschuldet werde.
Zu Unrecht, wie das OLG entschied. Die Funktionsfähigkeit eines Werkes könne schon dann beeinträchtigt und das Werk daher mangelhaft sein, wenn der Werkunternehmer das Risiko eines Gefahreintritts begründet habe. Diesen treffe eine vertragliche Nebenpflicht, die Funktion der einen Rohrleitung nicht durch Fehler bei der Errichtung einer anderen Rohrleitung zu gefährden. Der Auftragnehmer habe daher auch die separate Abwasserleitung des Nachbarhauses so errichten müssen, dass davon keine Gefahr für die Funktionsfähigkeit der Leitung des Klägers ausgehe.
Völlig zurecht erteilt das OLG dem Versuch des Werkunternehmers eine Absage, sich der Haftung zu entziehen. Etwas anderes würde natürlich gelten, wenn das Werk, von dem die Gefahr für ein anderes Werk ausgeht, nicht von demselben Unternehmer errichtet wurde. Dann hätte sich der Kläger an den dritten Verursacher halten müssen.
Das Honorar von Architekten und Ingenieuren richtet sich nunmehr nach der Vereinbarung, die die Vertragsparteien in Textform treffen. Eine Bindung der Parteien an Mindest- und Höchstsätze besteht nach der Neufassung der HOAI (2021) nicht mehr. Das hat das OLG Düsseldorf durch Beschluss vom 07.11.2023 (22 U 153/23) klargestellt.
In dem entschiedenen Fall hatte ein Ingenieur mit Angebot von Januar 2021 detailliert verschiedene Leistungen der energetischen Fach- und Gebäudeplanung angeboten. Die einzelnen Teilpauschalen beliefen sich insgesamt auf rund 17.000 Euro. Nachdem der Bauherr das Angebot schriftlich angenommen und der Ingenieur erste Leistungen erbracht hatte, wurde der Vertrag aufgrund von Streitigkeiten der Parteien gekündigt. Mit seiner Schlussrechnung machte der Ingenieur abweichend von der Honorarvereinbarung rund 26.000 Euro geltend. Dem lag unter anderem ein Honorar für die Fachplanung von Wärmeversorgungs- und Starkstromanlagen zugrunde, das der Ingenieur nach HOAI-Mindestätzen berechnet hatte. Als der Bauherr nicht zahlte, wandte sich der Ingenieur an das Gericht.
Das OLG Düsseldorf wies die Klage ab. In seiner Begründung machte es deutlich, dass die Ansicht des Ingenieurs, er könne nach Mindestsätzen abrechnen, rechtsirrig sei. Angebot und Annahme datierten aus dem Jahr 2021. Somit sei die HOAI in ihrer seit dem 01.01.2021 geltenden Fassung anwendbar. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 HOAI richte sich das Honorar nur noch nach der Vereinbarung der Vertragsparteien, wobei lediglich die Textform eingehalten werden müsse. Eine Bindung an Mindest- und Höchstsätze bestehe dagegen nicht mehr.
Man fragt sich, wie der Ingenieur auf die Idee gekommen war, den Mindestsatz einzuklagen. Sogenannte Aufstockungsklagen haben nur noch bei solchen Verträgen Sinn, die vor dem 31.12.2020 geschlossen wurden. Bis dahin war ein Architekt oder Ingenieur nur dann an die mit dem Bauherrn getroffene Honorarvereinbarung gebunden, wenn sie
- schriftlich
- bei Auftragserteilung
- innerhalb der Mindest- und Höchstsätze
erfolgt war. Diese strengen Voraussetzungen sind mit der HOAI 2021 abgeschafft worden.
Einrichtungen zur Tagespflege für Senioren dürfen nicht in Gewerbegebieten betrieben werden. Das hat das Oberverwaltungsgericht Niedersachsen mit Beschluss vom 07.08.2024 (1 BL 47/23) entschieden.
In dem zugrundeliegenden Rechtsstreit ging es um einen Bauvorbescheid für eine Seniorentagespflege, die der Bauherr auf einer ehemaligen Einzelhandelsfläche betreiben wollte. Das Grundstück lag in einem Baugebiet, das durch Bebauungsplan als Gewerbegebiet festgesetzt war. In der Umgebung gab es verschiedene andere Einzelhandelsmärkte, Dienstleistungsbetriebe, Gastronomie und produzierendes Gewerbe. Das Betriebskonzept des Bauherrn sah vor, dass die Senioren morgens von zuhause in die Einrichtung geholt und dort betreut und abends wieder in ihre häusliche Umgebung zurückgebracht würden.
Das OVG wies die Klage auf Erteilung des Bauvorbescheides ab. Ein derartiges Vorhaben könne in einem Gewerbegebiet nicht zugelassen werden, und zwar auch nicht ausnahmsweise. Wohn- oder wohnähnliche Nutzungen seien mit dem Charakter eines Gewerbegebietes unvereinbar. In einer Seniorentagespflege würden den betreuungsbedürftigen Menschen Beschäftigungen wie Spielen, Singen, Basteln oder Lesen angeboten, denen sie sonst in ihrer Wohnung nachgehen würden. Insoweit sei die Tagespflegeeinrichtung gleichsam ein ausgelagerter Teil der eigenen Wohnung mit dem entsprechenden Schutzbedürfnis. Sie habe unabhängig von konkreten Immissionsbelastungen Anspruch auf ein wohnangemessenes Umfeld. Das biete ein von allgemeiner Geschäftigkeit geprägtes Gewerbegebiet, in dem der „müßige Mensch gleichsam als Fremdkörper“ erscheine, typischerweise nicht.
Die Entscheidung mag erstaunen. Die Baunutzungsverordnung erlaubt es ausdrücklich, Anlagen für soziale Zwecke ausnahmsweise in Gewerbegebieten zuzulassen (§ 8 Abs. 3 Nr. 2). Dasselbe gilt für kirchliche und kulturelle Einrichtungen oder auch Vergnügungsstätten. Diese Ausnahmemöglichkeiten würden leerlaufen, wenn der Charakter eines Gewerbegebietes ausschließlich mit solchen Nutzungen vereinbar wäre, die einer beruflichen oder geschäftlichen Tätigkeit dienen. Darauf scheint die Argumentation des Oberverwaltungsgerichtes jedoch hinauszulaufen.